IBB Business Team

Ein wildes Stück Berlin – das erste Green Roof Lab der GründachPLUS-Förderung

Friedrichshain-Kreuzberg ist der Berliner Bezirk mit der kleinsten Fläche, aber den meisten Einwohner:innen pro Quadratkilometer. 2023 zählte er zu den am dichtesten besiedelten Orten in Deutschland und Europa. Wenig Fläche, viele Menschen, viel Stadt – und dazwischen wilde Dachnatur?

Ja, das gibt es – wenngleich einiger Aufwand dafür nötig war: In vier langen Jahren widmete sich eine Hausgemeinschaft aus 170 Hausbewohner:innen neben Arbeit, Familie, eigenen Projekten und allem, was im Leben so ansteht, einem Herzensprojekt: dem ersten von der GründachPLUS-Förderung geförderten Green Roof Lab an einem Extremstandort in Kreuzberg. Extremstandort deshalb, weil auf einer Dachfläche Faktoren wie Hitze, Wind und Trockenheit das Wachstum von Pflanzen begrenzen. Die neu geschaffene „wilde Natur“ soll diesen Faktoren trotzen und zu einem besseren Stadtklima, einer höheren Biodiversität und zu einem nachhaltigeren Regenwasser-Management in der Hauptstadt beitragen. Pionierarbeit, die auch einen inklusiven und pädagogischen Ansatz verfolgt. Entstanden ist ein intensives Biodiversitätsgründach, in dessen Pflege und Weiterentwicklung auch die im Haus lebenden gehörlosen Menschen miteinbezogen werden. Das Projekt soll ein Lehr- und Lernort für die Bewohner:innen und interessierte Besucher:innen werden und als Vorbild für weitere Projekte dienen.

Bei der feierlichen Einweihung Ende April 2024 waren auch wir von der IBT mit dabei. Wir haben ein paar O-Töne auf der Veranstaltung eingeholt und berichten hier davon - bleibt gespannt, wir werden das Green Roof Lab noch einige Zeit begleiten und weiter darüber berichten.

begruentes_dach

Beate hat die Erstellung des Gründachs ins Rollen gebracht. Gemeinsam mit einigen Hausbewohner:innen hat sie ein Konzept für die “Wilde Dachnatur” entwickelt, das die GreenRoofLab-Jury überzeugte. Sie erzählt uns, wie es zur Antragstellung kam:

Der Planungsprozess für unser Haus startete vor circa zwölf Jahren. Ein Großteil der Dachfläche wurde als Sonnendeck geplant, konnte aber aus Geldmangel nicht ausgebaut werden. Über unser Schwarzes Brett erfuhr ich von der GründachPLUS-Förderung und kam mit der Nachbarschaft darüber ins Gespräch. Wir haben dann beschlossen, einen Förderantrag zu stellen. Glücklicherweise ist einer unserer Nachbarn Landschaftsarchitekt und konnte uns bei der Konzepterstellung beraten. Denn dafür war schon viel Wissen nötig, das uns anderen fehlte.

Nach der Förderzusage übernahm das Büro Feldhusen Landschaftsarchitektur die weitere Planung des Gründachs. Landschaftsarchitektin Juliane war bei der Einweihung dabei und berichtet über die Gestaltung:

Wir haben das Pflanzsubstrat sanft zu einer Art Relief modelliert. Das hat nicht nur einen gestalterischen Mehrwert, sondern auch die Funktion, dass sich in den höheren Substratschichten mit rund 55 Zentimetern Gehölze entwickeln können, die in den nur zehn Zentimeter dicken Schichten nicht gedeihen würden. Wir haben knapp 30 verschiedene Pflanzenarten ausgewählt, darunter Kleingehölze, Stauden, ein- und zweijährige Pflanzen sowie Zwiebelgewächse, die zusammen von Anfang Februar bis Ende Oktober blühen. Ein Teil der Pflanzen stammt aus der Region. Spätestens nach zwei Jahren wird die Pflanzendecke geschlossen sein. Neben den Pflanzen gibt es auch einige Sandarien. Das sind Sandflächen, in denen bestimmte Bienen ihre Nester bauen können. Der Sand hat verschiedene Korngrößen, damit die Bienen Niströhren anlegen können, die nicht so schnell zusammenfallen. Außerdem haben wir Wasserlinsen angelegt. Das sind Pfützen für Vögel und Insekten. In den Pfützen befindet sich auch Lehm, der hoffentlich von Schwalben zum Nestbau genutzt wird. Und wir haben Totholz in Form von Baumstämmen ausgelegt, das vor allem Insekten als Nahrung, Versteck oder Baumaterial dient. Die Baumstämme wurden von einigen Hausbewohnern aus einem Wald im brandenburgischen Lehnin nach Berlin gebracht. Insgesamt ist der Dachgarten ein Hybrid zwischen extensiver und intensiver Begrünung. Wir denken, dass dieser Hybrid ein Modell für einige Dachflächen in der Großstadt sein kann: Mit geringem finanziellem Mehraufwand kann aus einer extensiven Dachbegrünung mit geringer Schichtdicke und wenigen Pflanzen eine extensive Intensivbegrünung mit höherer Pflanzenvielfalt werden, die einen Beitrag zur Erhöhung der Biodiversität in Städten und zur Verbesserung des Mikroklimas leisten kann.

Nicole aus unserem GründachPLUS-Team hat den ganzen Prozess von Beginn an begleitet. Sie war auch bei der Einweihungsfeier dabei – für sie ein besonderer Moment, das Ergebnis des ganzen Planungsprozesses zu sehen. Was sagt sie zum Mammutprojekt?

Generell lässt sich sagen, dass Prozesse in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) ziemlich anspruchsvoll sind und viel Abstimmung nötig machen. Denn bei GründachPLUS-Projekten müssen die Förderkonditionen gemäß der Richtlinie in Einklang mit den Gegebenheiten des Daches und der Bauordnung gebracht werden. Bei diesem Projekt machte die Hausgemeinschaft von Anfang an einen sehr ambitionierten Eindruck auf uns und die statischen Bedingungen des Dachs ermöglichten eine gewisse Aufbauhöhe.

Was macht dieses Gründach-Projekt so besonders?

Die Bewohnerschaft des Hauses ist divers - die WEG besteht aus einer Genossenschaft, Wohnungseigentümern und einem sozialen Träger. Im Haus leben auch gehörlose Menschen im betreuten Einzelwohnen. Bei der Pflege des Gründachs sollen sie miteinbezogen werden - das Dach wird also auch ein inklusiver Ort sein. Die Bewohner:innen sind außerdem gut im Kiez vernetzt und kooperieren mit dem NABU Berlin.

Begleiten wir Projekte auch im Nachgang?

Es gibt bei der GründachPLUS-Förderung bestimmte Stationen. Das Dach muss laut Richtlinie zehn Jahre aufrechterhalten werden. Die WEG hat eine Website ins Leben gerufen und berichtet dort über die weitere Entwicklung (die Website wird in Kürze veröffentlicht, Anm. d. Red.). Wir werden auch in 3 und 5 Jahren nachfragen, was aus dem Projekt geworden ist.

Hat Nicole noch einen Tipp für Antragsteller:innen?

Es hängt immer davon ab, wer den Antrag stellt. Als WEG benötigt man einen langen Atem, um den komplexen Prozess durchzubringen. Wir freuen uns über jede Fläche, die im urbanen Raum begrünt wird. Ich persönlich freue mich total, da ich von Anfang an dabei war, über die ganzen vier Jahre hinweg. Es ist auch in meiner Nachbarschaft. Ich bin oft am Haus vorbeigefahren und habe hochgeschaut, ob man schon etwas sieht. Ich freue mich sehr für die WEG, dass dieses Projekt nun zum Abschluss gebracht wurde.

 

Alle Infos zur GründachPLUS-Förderung sind hier zu finden: https://www.ibb-business-team.de/gruendachplus/

Infos zur Green Roof Lab-Förderung: https://www.ibb-business-team.de/gruendachplus/green-roof-lab/

Ein Unternehmen der Logo IBB Gruppe